Ich erhielt die Nachricht via DM im späten Nachmittag, gerade noch erfreute ich mich an den Schnäppchen, die ich an diesem Tag bei Amazon gemacht hatte und reflexartig stellte ich dieselbe dumme Frage, die wohl jedem auf der Zunge liegt und die sich kaum einer verkneifen kann: „Das ist ein Scherz, oder?“ – als wenn jemand damit wirklich scherzen würde. Ebenso reflexartig bot ich meine Hilfe an – nicht ahnend, dass ich kaum eine Stunde später selbst Hilfe brauchen würde.
Nicht viel später erwische ich mich dabei, wie ich sinnfrei auf den Monitor starre und langsam realisiere, was Marco mir da gerade mitgeteilt hat. Mit meiner Konzentration war es vorbei. Was hat er gesagt? Kollabiert? Wiederbelebung? Ich musste es noch mal nachlesen. Und wieder. Und wieder. Vollkommen sinnlos, weil es einfach nicht mehr zu wissen gab – hattest Du nicht dieser Tage noch Medikamente getwittert? Hast Du wieder mal weitergemacht, obwohl Du Dich hättest auskurieren müssen? Tausend Gedanken rasen mir durch den Kopf.
Ich sitze zu Hause, starre ins Leere und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. Es will mir nicht gelingen. Gesprächsfetzen flattern mir durch den Kopf, die Jahrelang verschüttet waren, Bilder wabern kurz auf, wie Du mir aus einem Buch des 18. Jahrhunderts vorgelesen und meinen Grafen dabei immitiert hast, wie Du mit einem heißen Kakao im Bahnhof gewartet hast, weil es saukalt und mein Zug Stunden zu spät war und mir unbedingt erzählen musstest, dass das schon die 3 Tasse war, weil der Zug ja zu spät und der Kakao heiß sein musste, Dein Gesicht, als das Parfait, dass Du gemacht hattest in meinem Kühlschrank zum Süppchen geworden war, wie Du Dich kaputt gelacht hast, als Du mich in Waterloo abholtest, vollkommen von der Sonne verbrannt – und dann meine Ausrüstung kaum in Deinen Benz passte, das erste #IbkmF oder wie Du, kaum aus der Tür bei mir raus, mich via DM zum Frühstück bei Dir eingeladen hast, weil „Der Bäcker hatte schon geöffnet“ …
Das Bimmeln meines Handys reisst mich aus dem Gedankenchaos. Marco hat geschrieben und es offiziell gemacht. Offiziell. So richtig endgültig. Ich schreibe ein paar Sätze, was mir gerade einfällt, weil ich nicht weiß was ich sonst tun soll. Sie sind dumm und einfältig, ist aber auch egal, ich kann den Bildschirm sowieso kaum noch erkennen.
Ich halte es zu Hause nicht mehr aus, zumal der Alkohol aufgebraucht ist. Du weißt, ich trinke fast nie Alkohol, aber in dem Moment reicht er nicht. Ja, Du würdest jetzt lachen und einfach die nächste Flasche Wein aufmachen „Was man braucht, das braucht man eben“ – ich aber irre ohne einen klaren Gedanken fassen zu können durch Aachen und weiß nicht, wohin mit mir – irgendwann lande ich an Deinem Lieblingsplatz, auf dem Katschhof, wo ich Dich fast immer finden konnte, wenn es Dir schlecht ging und das in der Kommunikation durchblitzte, wo wir uns oft einfach so trafen um dort nur rumzusitzen, so manche Flasche Wein haben wir im laufe der Jahre dort leer gemacht, und ich muss lachen ob des Gedankens, dass ich jetzt hier mit Bier stehe. Dann sehe ich auch den Dom nicht mehr klar.
Auf Twitter mehren sich die Tweets des Unglaubens, des Entsetzens, der Trauer, mein Handy bimmelt ständig, weil Anja wohl irgendwas Bewegendes dazu gesagt hat, meinen Namen erwähnte und das jetzt alle liken. Das Chaos in meinem Kopf wird nicht klarer, die lange vergrabenen Bilder schwirren wieder hindurch. Du, mit einem Bärchenkuchen zum Geburtstag vor der Tür, wie Du nach meinem Unfall ins Krankenhaus kamst – und gleich noch eine Pizza mitbrachtest „Weil Du das Essen bestimmt furchtbar findest“, die sogar noch ‚symbolisch warm’ war, wie wir gemeinsam bei mir zu Hause versuchten, Deinen Neffen die Ritterwelt näherzubringen, weil der Mittelaltermarkt zu dem ihr wolltet im Regen absoff – und er sich erst durch ein paar Schlümpfe und ein getragenes Kettenhemd auftauen ließ, wie wir gemeinsam volltrunken vom Whisky Tasting nach Hause wankten – aber unterwegs noch stundenlang quatschend irgendwo hängen blieben, die Spanngurte, die jahrelang in meinem Keller hingen, weil wir sie immer vergaßen, wenn Du vorbei kamst, um sie mitzunehmen, wie Du immer schon die Karten für das Kino abgeholt hast die ich vorher bestellt hatte, weil Du wusstest, dass ich wieder in letzter Sekunde aus der Agentur rausfallen werde,wie Du mich regelrecht genötigt hast, Sherlock Holmes zu schauen, weil „Der erinnert mich ständig an Dich“ – und wie Du dann, als wir es tatsächlich taten, mehr mich beobachtet hast als die Serie zu sehen, um meine Reaktion festzustellen, weil ich das hartnäckig abstritt, wie Du …
Und das soll es jetzt gewesen sein? Du bist einfach weg. Hatten wir uns nicht versprochen, als nervige Rentner das Jungvolk klugscheißerisch zu belehren? Wollten wir nicht noch Duweißtschonwas zuende sehen und das letzte Gespräch war auch nicht so wirklich fertig. Letztes Gespräch, wie furchtbar endgültig das klingt, denn es wird kein anderes mehr geben. Ich merke es, das wird eine lange Nacht, aber ich habe viel Bier und viele Leute, die mich anstarren. Wusstest Du eigentlich, dass die Rückseite des Doms im Moment praktisch nicht beleuchtet ist? Was frage ich – Du wusstest das bestimmt nicht nur, sondern auch warum dem so ist und wer sich dafür verantwortlich zeigt. Wahrscheinlich hast Du mit ihm schon darüber gesprochen, schließlich steht der Dom in Aachen. Deiner Stadt.
Während ich am kommenden Mittag wie betäubt am Frühstückstisch sitze und noch nicht weiß, wie ich den Tag überstehen soll, sind die meisten auf Twitter, auch aus #Aachen, schon wieder mit Business as usual beschäftigt – Scherzchen hier, retweeteter Gag dort, blöde Technikfrage zwischendurch, Smiley. Weiter im Text, das Publikum will bedient werden.
Schon in der Vergangenheit eher als emphatiebefreit aufgefallene Netzwerker schaffen es sogar binnen zwei, drei Tweets von ‚Oh was für ein trauriger Tag’ zum lustigen Spruch mit Grinsegesicht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich erwartet, eher erhofft, hatte, vielleicht, dass #Aachen einen Moment länger den Atem anhält. Stattdessen lese ich zwischen all den Belanglosigkeiten von Menschen, zu denen Du eine nicht wirklich öffentlichkeitstaugliche Meinung hattest, dass sie dich ‚Freundin’ nennen, Menschen, die Dich kaum kannten, erdreisten sich, zu definieren, was Dir ‚gefallen hätte’ und was nicht.
Ich will ihnen ‚Ihr Heuchler’ entgegenbrüllen und muss mir ins Gedächtnis rufen, dass jeder anders trauert, jeder solche Nachrichten anders verarbeitet und ja, auch jeder ein anderes Verhältnis zu Dir hatte. Ich schließe Twitter, weil ich es einfach nicht mehr aushalte.
Du hättest die richtigen Worte gefunden, wie Du es immer getan hast, wenn ich wieder einmal an der systembedingten Oberflächlichkeit der gar nicht immer so sozialen Medien verzweifelt bin. Oder Du hättest gar nichts gesagt, milde lächelnd den Kopf schief gelegt und mich meine Verzweiflung oder meinen Rant ausleben lassen, bevor Du mich auf einige sehr still gewordene Accounts hingewiesen hättest, auf Michael, der sich ganz abgemeldet hat, auf den einen und anderen Eintrag bei FB, auf die Blogbeiträge, die unbeholfen versuchen, in Worte zu fassen, was passiert ist, auf jene, die nicht einmal das schaffen.
Und ja da war auch der erste ‚offizielle’ Nachruf von einem, der es kann und weiß, wovon er spricht – ein guter Text. Ein wirklich guter Text, aber es ist seltsam, einen Nachruf zu lesen auf jemandem, den man näher kannte. Ich lese da etwas von diesem Projekt, von jener Aktivität, welche Bedeutung Du für Aachen und #Aachen hattest – das hat alles erschreckend wenig zu tun mit der Sabine, die ich kannte.
Mit der herzlichen Klugscheisserin, mit der leidenschaftlichen Antiquarin, mit der Frau, mit der ich ungezählte Nächte durchmachte – auf meinem Sofa, auf Deinem Sofa, irgendwo dazwischen – diskutierend, schweigend, motzend, Filme schauend, philosophierend, lästernd oder auch nur Nachts um 4.00 beim Aphroditegrill sitzend, während wir uns über die eine und andere liebenswerte Marotte eines Twitterers beömmeln, nachdem uns eine Unterhaltung über ein Bauwerk in Aachen zur Überprüfung desselben auf die Strasse gebracht hatte, wir dort feststellten, dass es schneite und wir erst einmal einen Schneemann bauen und lustige Figuren zwischen Rathaus und Dom in den Schnee stapfen mussten. Schließlich mussten wir uns stärken, bevor wir uns aufmachten, ein paar alte Bücher im Antiquriat zu wälzen, weil die Begehung nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hatte, zumindest für einen von uns.
Es sind zu viele Erinnerungen aus nicht genug Jahren, als dass ich alle niederschreiben könnte, aber Du hast binnen Sekunden zwischen ernsten Themen und totaler Albernheit umschalten können, während Du eine der Wenigen warst die meine Zwischentöne bemerkte und erkannte, dass ich viel seltener Scherze, als mancher es gerne hätte und viel öfter sage, was ich denke, als es mancher mitbekommt – das mochte ich an Dir, trotz dessen Du versuchtest, mir Deinen heißgeliebten Poe nahezubringen (was scheiterte), mich für David Bowie zu begeistern (was scheiterte), mir unbedingt die tolle Brust von Daniel Craig vermitteln wolltest (was natürlich scheiterte) oder so manches liebgewonnene historische Dokument madig machtest mit einem einzigen Satz: „Ist nachkoloriert. Das falsche Blau.“
Auf Twitter übt man sich zwischenzeitlich in den üblichen Ritualen zu denen Menschen in der Öffentlichkeit in so einem Fall neigen, man diskutiert darüber, ob man noch einmal gemeinsam ein Essen veranstaltet, es wird zu einer Zeitungsanzeige aufgerufen – und da sich kompetente Leute darum kümmern gibt es sie auch – ich verstehe, was die Menschen dort machen, warum sie es machen, fühle mich aber weit weg davon und mir kommt das so furchtbar leer und sinnlos vor, denn Du bekommt das weder mit, noch bringt es Dich wieder.
Aachen bereitet sich gerade wieder auf die Chio vor, Du hättest sicherlich wieder der Eröffnung dieses Spektakels beigewohnt, wie Du auch alles andere mitgemacht hast, solange es nur Dein geliebtes Aachen betraf und wie Du sowieso allem immer etwas positives abgewinnen konntest. Naja, fast allem, der skurillangweilige Nerd-Stammtisch aus dem ich Hilferufe als SMS bekam und Dich ‘befreien‘ musste, die Rettungsaktion im Antiquariat, wo ich Leute in Grund und Boden schwafelte, damit Du Deinem Geschäft nachgehen konntest, das waren solche Ausnahmemomente. „Du bist der ruppige Ritter in abgewetzter Rüstung, der unbesehen zur Rettung herbeieilt, ob gerufen oder nicht, ich bin nirgendwo Mitglied, aber überall dabei, so hat jeder seine geheime Superheldenfähigkeit“ – das war immer eine Deiner schönsten Charakterzüge:
Was und wen Dir das Leben auch immer in den Weg warf, Du hast ein hübsches Schleifchen drumgebunden, etwas positives daran gefunden und es irgendwo ins Regal Deines Lebens gestellt.
Und dieser seltene Charakterzug war ansteckend und hat Dir – zu recht – viele Türen geöffnet. Ich versuche heute noch zu begreifen, wie Du es geschafft hast, dem Tourismusbüro Aachen ihr einziges vorhandenes Karlsjahr-Plakat aus dem Schaufenster herauszuschwadronieren, dabei stand ich direkt daneben. Staunend. Wie so oft.
So charmant das aber auch immer war, bedeutete die Kehrseite davon, dass Du furchtbar, furchtbar schlecht ‚Nein’ sagen konntest oder auch oft nicht wolltest – und so musste ich im Laufe der Jahre dabei zusehen, wie Du Dich nach dem Verlust Deiner beruflichen Leidenschaft, der Dich zur Wahl zwischen Deinem heißgeliebten Aachen und Deinen ebenso geliebten Inkunabeln zwang, immer mehr verloren hast zwischen immer neuen Inkarnation, sei es die Entenmama, die Patin von Aachen oder die Curatorenbetreuerinnen, die Restaurantschließerin, die Organisatorin des BTE, dieser netten kleinen Veranstaltung, die dann als TEAC zu einer – für mich – unerträglichen Massenveranstaltung wurde, von der ich mich zunehmend fern hielt, obwohl Du mir jedes mal einen Freiplatzschein unaufgefordert ins DMfach legtest. Und natürlich auch mit Karl, dem kauzigen Gerippe, das wir zusammen anlegten, sein Verhalten definierten und bei seinem Debüt auf wirleben.ac auch gemeinsam bespielten – obwohl Du später auf seinem eigenen Account zeigtest, um wie vieles virtuoser Du auf seinen Knochen klimpern konntest – das Passwort zu Karls Account, das Du mir gabst, habe ich dann nie benutzt – es war nicht nötig, ich hätte ein Kunstwerk verschandelt.
Ich hatte immer Probleme damit, das doch sehr unterschiedliche Verhalten, die Differenz im Gesagten auf meinem Sofa und den Äusserungen in der Öffentlichkeit respektive gegenüber diesen Leuten, zu Ereignissen oder Menschen unter einen Hut zu bekommen, ich musste dabei zusehen, wie diese Alterationen immer mehr von ‚Sabine’ vereinnahmten, bis man nicht mehr wusste, wo Sabine anfing und die Entenmama aufhörte, ob gerade die Freundin sprach oder doch wieder die professionelle Netzwerkerin. Und die zunehmende Menge an Projekten machte es nicht besser – es fühlte sich für mich immer komisch an, Verabredungen mit Dir ein paar Tage später als Blogartikel verarbeitet zu sehen.
Und ja, solche Momente trieben uns schon mal etwas auseinander, wenn auch nach den Maßstäben anderer wohl gar nicht so viel – wie auch der Alltag, unterschiedliche Interessen oder der Beruf im Laufe der Jahre Tribut forderten und verhinderten, dass wir uns so oft über den Weg liefen, wie wir beide es eigentlich wollten, ich bin mir wirklich nicht mehr sicher, ob Du oder ich kurzfristig mehr Verabredungen absagten, weil wieder irgendwas dazwischen gekommen war. Oder Langfristiges, wie ein neuer Job, der Dich aus meinem Tagesrythmus holte und nie wieder zurück brachte oder eben wie ein neuer Partner.
Auf Twitter möchte sich Marco dafür entschuldigen, dass er gerade so wenig schreibt und ich überlege voller Scham, was wir Twitterer doch für einen Eindruck hinterlassen müssen, dass er, als derjeniege, der nicht nur Sabine verloren hat, sondern auch noch die Bürde trägt, sich um alles kümmern zu müssen, meint, das sagen zu müssen.
Ich lese den Stream nach und finde die klassischen Standardfloskeln – „Solange man an jemanden denkt, ist er nicht gestorben“ oder auch „Wir werden Dich vermissen“ – so ehrlich es in diesem Moment auch gemeint ist, bleibt es doch gelogen, bestenfalls Selbstberuhigung – Du bist weg. Und Du kommst nicht wieder. Nie. Und es tut weh. Und ich habe Angst vor dem Alltag, weil der in der heutigen Zeit eben doch mit solcher Gewalt auf jeden einschlägt, dass man schnell eben nicht mehr vermisst – bei manchen braucht es nur Tage. Und ich habe Angst zu vergessen. Die vielen tollen Momente, die schlechten Momente, die vielen Sachen, die wir gemacht haben. Dich. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht Morgen, aber in 10, 20 Jahren, wenn dann vielleicht eine Musik eine Erinnerung hochspült, wenn mir ein Buch in die Hände fällt, das Du mir gabst, wenn ich über alte verstaubte Dateien unserer Chats auf dem Rechner stolpere und Du eben nur noch das bist: Eine Erinnerung, weil Du nicht mehr Teil meines Lebens bist und es keine Gelegenheit gab, neue Erlebnisse den alten Erinnerungen hinzuzufügen.
Ich weiß, dass man uns im Laufe der Jahre in Twitterkreisen immer wieder mal eine Romanze nachsagte, weil wir uns einfach auch ohne viele Worte verstanden und das auslebten, manches mal auch einfach so ergänzten – es hätte sie unter anderen Umständen und zu einer anderen Zeit geben können, so aber ging das, was wir hatten über das hinaus, was in vielen Beziehungen Alltag heißt. Wir hatten nie viele Gemeinsamkeiten – auch, wenn uns das Interesse an Geschichte und Vintage – und natürlich an Disney – zusammenführte – wir waren uns immer selbst genug und die fehlenden Gemeinsamkeiten bedeuteten nichts anderes, als dass uns die ganze Welt offen stand, selbst, wenn diese Welt nur mal aus Ripuarisch bestand.
Aber ich habe sie (fast) alle mitbekommen, zuerst, weil wir uns in solchen Zeiten seltener über den Weg liefen, wenn sie eine realistische Chance hatten, dann auch, weil Du mir von ihnen erzähltest – und so wenig, wie ich verstanden habe, was Du an dem Troll gefunden hast – wo Du ihn gefunden hast (auf der Arbeit) wusste ich ja – so wenig habe ich verstanden, warum das mit jenem, der beim ersten Treffen ein „Noch nie so einen aufgeblasenen Schnösel getroffen!“ war, nicht funktionierte. Nichtsdesdotrotz habe ich immer mitgelitten und mich mitgefreut für Dich, auch und gerade, als ich merkte, dass sich die Hartnäckigkeit von Marco offensichtlich auszahlte, denn kaum jemandem hätte ich es mehr gegönnt als Euch beiden.
Auch um den Preis, dass wir uns deutlich seltener sahen, haben wir doch als alteingesessene Bewohner des virtuellen Raums nur selten tatsächlich den Kontakt sonderlich reduziert, selbst, wenn wir uns nicht leibhaftig über den Weg liefen. Und fühlte es sich für einen von uns doch zu lang an, reichte ein „Ping“ oder später auch nur ein „.“ und der andere wusste, dass es Zeit war, zu erzählen, was man so erlebt hatte. Manchesmal reichte auch schon der Hinweis auf einen Pizzarand, den man übrig hat, oder ein Wink mit Sofaentzugserscheinungen, damit der andere bescheid wusste. Das habe ich genossen. Du weißt, ich hatte immer großen Respekt vor Dir, vor Deiner Art, Deinem Wissen, Deinen Fähigkeiten, als das bewunderte ich und Du weißt auch, dass Du eine der wenigen warst – wenn ich auch dafür gefühlt mehr Diskurse mit Dir ‚verloren’ habe, als ‚gewonnen’, es war jede Sekunde wert – Du meintest mal „Nur 3 Leute kennen mich wirklich“ – Danke, dass ich einer davon sein dürfte – auch dafür, dass Du, als eine der Wenigen, verstanden hast, dass, wenn ich mich nicht meldete oder kurz angebunden war nicht bedeutete „Ich erzähle es Dir nicht“ sondern nur „Ich erzähle es Dir, wenn ich so weit bin“ – wie Du so vieles einfach verstanden hast, ohne darum ein großes Aufheben zu machen.
Du warst die intellektuelle Herausforderung, die mir in all’ den Jahren in Aachen gefehlt hat, die Freundin, die Inspiration, die Klugscheisserin, die Nächterumbringerin, die allwissende Müllhalde, die Pizzarandesserin, die Seelenverwandte, die … andere schreiben ‚Du wirst fehlen’ … das drückt es nicht einmal ansatzweise aus.
Ich ging immer davon aus, dass es Dir vorherbestimmt ist, einmal in weiter Zukunft eines dieser urigen Oecher Originale zu werden, die irgendwie jeder kennt und jeder mag, dazu ist es nun nicht gekommen. „Nie zuvor habe ich so viel gelacht, wie mit Euch“ hast Du mir einmal erzählt, und meintest damit Twitter, nein … Twitterer.
Dieses Lachen ist jetzt verstummt. Ich hoffe, wünsche, dass es irgendwo anders zu hören ist.
Danke für die Freundschaft. Danke, dass Du ein Teil meines Lebens warst. Danke, dass Du meine Tür so lange eingerannt hast, bis ich Dich einlies. Danke für alles.
Mach’s gut, Weibchen.
PS: Ich habe Deine Vorliebe für Horoskope nie verstanden, aber Dein Tageshoroskop auf AstroWoche für heute, den Tag Deiner Beerdigung – Beerdigung, das klingt wieder so furchtbar endgültig – sagt „Sie sind schlapp. Erholung winkt!“ – na, das ist doch schon was, Du hast es Dir verdient, es sei Dir gegönnt.